






İÇ İÇE: Vielfalt feiern, Widerstand leben – ein Festival in Köln
Die Dunkelheit fällt über Köln, die Stimmung im Kulturbunker Mülheim steigt. Auf der Bühne: Prince Emrah. In einem schwarz-goldenen Outfit, gekrönt mit funkelndem Schmuck und schwindelerregend hohen Absätzen, zieht die turkmenische Bellydancerin, Dragqueen und DJ alle Blicke auf sich. Mit fließenden Bewegungen und voller Präzision verschmilzt sie mit den Rhythmen türkischer, arabischer und kurdischer Musik. Binnen Minuten springt die Energie auf das Publikum über – niemand bleibt stehen, alles tanzt.
Für diesen Moment verschwinden Herkunft, Geschlecht und Identität. Die Menge ist eins, verbunden durch Musik und die Freude am Leben. Emrah, seit Jahren eine feste Größe auf Community-Events, lässt sich durch Anfeindungen nicht aus der Ruhe bringen. „Respekt kommt zurück, wenn man ihn gibt“, sagt sie später, mit einem Lächeln, das ihre positive Einstellung unterstreicht.
Dieser magische Augenblick ist der Kern des İç İçe Festivals: ein Raum, in dem Grenzen verwischen und Gemeinschaft entsteht. Der Auftritt von Prince Emrah zeigt, was Kunst bewirken kann – Menschen zusammenbringen und Vorurteile überwinden, wenn auch nur für einen Moment.
Ein Raum für Diversität
Am 11. und 12. Oktober verwandelt sich der Kulturbunker Köln-Mülheim in einen Ort der Begegnung und des Austauschs. Das İç İçe Festival, ursprünglich aus Berlin, feiert dort erstmals anatolische Musik, Kunst und queere Perspektiven. Der Bunker, einst Schutzraum vor Bombenangriffen, bietet nun Schutz vor gesellschaftlichen Angriffen: ein sicherer Ort für Menschen, die oft am Rand stehen.
Die intime Atmosphäre, das herzliche Publikum – überwiegend jung und mit Migrationshintergrund – und die Vielfalt der Künstler*innen machen das Festival einzigartig. Aphroditi Tsakiridou, eine der Organisatorinnen, beschreibt das Event als „Energie, die weit über den Raum hinausgeht“. Besucherzahlen? Noch offen. Doch die Begeisterung über den Verlauf steht außer Frage.
KANAX4LIFE: „Wir schreiben unsere eigenen Regeln“
Doch İç İçe ist nicht nur Musik, sondern auch Politik. Schaho Balbas, Gründer des Netzwerks KANAX4LIFE, spricht Klartext. Das Kollektiv bietet migrantischen Künstler*innen eine Plattform, unabhängig vom deutschen Kulturmarkt. Kein „German Dream“, keine Integration zu den Bedingungen der Mehrheitsgesellschaft – stattdessen Selbstbestimmung und Emanzipation.
„Wir lassen uns nicht auf stereotype Rollenbilder reduzieren“, sagt Schaho. Für KANAX4LIFE steht fest: migrantische Kunst ist mehr als exotisches Beiwerk oder Sozialstudie. Es geht um eigene Narrative, abseits des Mainstreams.
Kreative Zusammenarbeit zwischen Köln und Berlin
Das Festival holt große Namen wie Gaye Su Akyol, die anatolische Klänge mit elektronischen Beats verbindet, und das syrische Duo JaHa, dessen Musik Solidarität und politische Botschaften vereint, nach Köln. Die Eröffnungsausstellung „Queerreality“ setzt mit ihren surrealistischen Werken weitere Akzente. Kunst wird hier zu einem Werkzeug, um Widerstand zu leisten und Geschichten zu erzählen, die sonst oft überhört werden.
Ein Safe Space für Kunst und Identität
İç İçe ist mehr als ein Event. Es ist ein Ort, an dem queere und migrantische Communities sich ausdrücken können – frei von Vorurteilen. Hier wird Kunst gefeiert, die nicht nur unterhält, sondern verändert. Ein starkes Statement für eine Gesellschaft, die mehr Vielfalt und weniger Grenzen braucht.